Interview Schauspielcoach Sheila Gray

Filmcoach Sheila GrayInterview mit Sheila Gray von F. Brandmeier

München, 12.03.2017

Es kommt darauf an, sein Talent zu entwickeln!

 

Ein bewölkter Tag in München. Noch ist der Theatermarathon der Münchner Kammerspiele in vollem Gange. Ich sitze bei einer Tasse Tee über dem Deutschen Theater und beginne mein Interview mit Sheila Gray, der renommierten Schauspieltrainerin aus New York. Bei ihr ist es noch früh am Morgen, aber dies lässt sie sich keineswegs anmerken.

Sofort sind wir in einem intensiven Gespräch. Hier sind ein paar Auszüge aus diesem Gespräch aufgelistet, die ich gerne mit euch teilen möchte. Es sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der Übersetzung die Wörter nicht eins zu eins wiedergegeben werden können.

Beobachten Sie einen Unterscheid, wenn Sie mit Nebenrollen oder Hauptrollen arbeiten?

Die meisten Schauspieler fangen ja auch schließlich als Nebenrollen an. Ich glaube jeder muss in einer Art und Weise durch diesen Prozess hindurch. Aber man kann schon sagen, dass der Hauptdarsteller den Film tragen muss. Das Charisma, die Energie und die schauspielerische Leistung müssen stimmen, damit der Film gut wird. Das ist einfach so. Die Zuschauer müssen so interessiert sein, dass sie unbedingt weiter sehen wollen, wie der Charakter dann im weitern Verlauf des Films handelt.

Stanislawski sagte zum Beispiel „ An Actor has to be attractive“. Damit meinte er nicht, dass der Schauspieler körperlich wunderschön sein muss, sondern dass er eine Art Qualität in seiner Person haben sollte, die das Publikum sehen möchte. Manche Leute fragen mich öfters in diesem Zusammenhang, ob ich Talent beibringen kann. Dann sage ich, dass ich glaube, dass man das leider einfach nicht machen kann. Entweder hat man es oder man hat es nicht. Aber der wichtige und doch auch springende Punkt ist, sein Talent zu entwickeln. Und da kann ich dann mit meinen Fähigkeiten als Schauspielcoach dem Schauspieler oder der Schauspielerin helfen und sie begleiten.

Meistens kann ich dieses Talent schon von Weitem sehen, wenn jemand in einen Raum kommt. Aber es ist schon so, dass ich auch überrascht werden kann. Heutzutage sind so viele Menschen in ihrem Kopf und nicht in ihrem Körper, sodass sie quasi keinen Zugang zu ihrem verborgenen Talent finden. Erst wenn sie sich wohler fühlen und man sich schon etwas kennen gelernt hat, kommt dann etwas Wunderbares zum Vorschein. Das ist dann ein toller Moment!

Und dann kann man auch anfangen, das Talent zu entwickeln. So etwas passiert mir nicht oft, aber wenn es passiert, ist das wirklich beeindruckend!

Mit welchen Schauspielern arbeiten Sie?

Ich bin bekannt dafür, dass ich mit sehr etablierten berühmten Schauspielern arbeite. Dennoch bin ich auch bekannt dafür, gerade mit Menschen zu arbeiten, die noch keine oder sehr wenig Schauspielerfahrung haben –so etwas wie neue, noch unbekannte Gesichter. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kann ich sofort drei Menschen aufzählen, die vorher noch nicht als Schauspieler gearbeitet haben und jetzt, da ich mit ihnen gearbeitet habe, im Business sind und ihre Fähigkeiten sehr gut weiter entwickelt haben.

Eine davon war eine Balletttänzerin, der Zweite ein Fotograf und der Dritte war einfach ein bisschen verloren in seiner Welt. Und ich wusste innerhalb einer Woche, dass alle drei Personen es schaffen würden. Das war Wahnsinn!

Was sollte ein Schauspieler mitbringen und was ist der Kern seiner Arbeit?

Ein Schauspieler muss wandelbar sein. Diese Fähigkeit von einem auf den anderen Tag jemand anderes zu sein, dass ist wirklich essentiell wichtig.

Ich sage immer es gibt 2 Gründe, warum man schauspielert: Der erste Grund ist, dass man sich selbst ausdrücken möchte. Und der zweite Grund ist, man möchte loskommen von seiner Person und in eine andere Rolle schlüpfen. Man möchte in andere Situationen kommen, ein anderer Charakter sein. Und das ist so spannend, wenn man schauspielert. Man hat sein privates Leben und dann noch mehrere ganz andere Leben dazu. Es ist wie eine Entdeckungsreise.

Eine weitere Sache, die ich oftmals den jungen und modernen Schauspielern sage (, welche meistens sehr Ich–bezogen sind, was natürlich mit Trendströmungen wie der Selfi-Generation zu tun hat): „Du spielst nicht dich selbst.“ Ich meine, man verbindet sich mit dem Kern seiner Selbst, ja, aber daraus muss man sich weiter in andere Richtungen entwickeln und verfremden, damit man tatsächlich in einen anderen Charakter hineinschlüpfen kann.

Ich glaube auch, dass wir immer auf einem schmalen Grad wandern müssen, was den Charakter betrifft. Wie viel kann der Schauspieler von sich und seiner Persönlichkeit nehmen und was ist wirklich anders an ihm oder ihr in Bezug zu dem angestrebten Charakter?

Ein Charakter, egal ob er nur drei Zeilen in einem Skript hat oder die Hauptrolle ist, wird nur dann gut, wenn er eine Geschichte vor Augen hat. Es gibt Gründe, warum man beispielsweise den Job als Kellner macht, wenn man einen Kellner spielt. Und dieses Gefühl warum und woher man kommt, was die Geschichte des Charakters ist, muss man als Schauspieler wissen. Diese Vorstellungskraft ist eine sehr kreative Arbeit, kann aber auch sehr analytisch sein, indem man schaut, in welchem kulturellen oder soziologischen Kontext sich der Charakter befindet.

Als Schauspieler sollte man nie aufhören, sich weiterzuentwickeln und an sich zu arbeiten. Das ist der Job eines Künstlers und das ist wundervoll!

 

Biografie Sheila Gray:

In Manhattan geboren, ist Sheila im Theater groß geworden und hat bereits als Teenager mit der Schauspielerei begonnen. In New York nahm sie Privatunterricht bei vielen verschiedenen Lehrern. Ihre erste Mentorin war Sandra Seacat, Mitglied des Actors Studios und methodenbasierte Lehrerin, die auch Traumarbeit unterrichtet. Darüber hinaus wurde Sheila stark von Marcia Haufreicht geprägt, die ebenfalls Mitglied des Actors Studios ist und eine traditionellere Methode und sinnesgestützte Technik anwendet. Fünfzehn Jahre lang arbeitete Sheila als Schauspielerin in New York, Los Angeles und dem Ausland. 1992 begann sie, für Sandra zu unterrichten und fand 1993 ihre wahre Berufung. Sie entwickelte ihren eigenen Ansatz und verband Methodentechnik, Improvisation sowie neuartige Übungen und Materialien und widmete sich Vollzeit dem Unterrichten.

Im selben Jahr beauftragte die renommierte Casting-Direktorin Ellen Chenowith Sheila als Coach für die Vorproduktion sowie am Set von Robert De Niros Debut „In den Straßen der Bronx”. Sheila hatte das große Glück, an vielen Sets verschiedener Film- und Fernsehproduktionen zu arbeiten.

Einige von Sheila Gray´s Klienten waren/sind: Jane Adams, Talia Balsam, Annie De Franco, James Gandolfini, Gina Gershon, Heather Goldenhersh, Chris Noth, Terence Howard, Jack Huston, Milla Jovovich, Leona Lewis, Rachel McAdams, Winona Ryder, Max Beesley, Juliane Nicholson, Justice Smith, Erin Moriarty und viele mehr.